Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter: Goslar, 17. April 1638 – Catrin Baumanns – Der Wassertraum
In der Nacht zuvor hatte ich von Wasser geträumt.
Nicht von einem Bach oder einer Pfütze – sondern von einem Strudel, tief und dunkel, aus dem Stimmen aufstiegen wie Blasen. Es war kein Traum vom Tod. Sondern von etwas, das noch unter der Haut lebte.Als ich erwachte, wusste ich, dass es ihr Tag war.
Catrin Baumanns, Näherin, Tochter eines Gerbers, unverheiratet.
Sie wohnte in einer Kammer über den Ställen des Klosterviertels. Jemand hatte gesagt, sie mische Kräuter in Wein. Ein anderer, dass ihre Augen nicht blinzelten, wenn man das Vaterunser sprach.
Ihre Nichte hatte gesagt:
„Sie wäscht ihr Haar im Vollmond.“
Und das genügte.
Der Rat befahl eine Wasserprobe.
Sie stand aufrecht, als wir sie holten. Nicht aufrecht im Leib – ihre Schulter war eingefallen – aber aufrecht im Geist. Ich sah es sofort.
Sie sah mich an, als ich sie fesselte.
„Ich werde nichts sagen.“
Ich fragte: „Warum nicht?“
„Weil du es schon entschieden hast.“
Der Kahnteich lag unter grauem Himmel. Kein Wind. Nur die Kreise der Enten und das Knarren des Seils in meinen Händen.
Catrin wurde gebunden, Hände an Füße, unter den Schulterblättern ein Knoten aus Bast. Ihr Kleid wurde mit Steinen beschwert. Nur ihr Gesicht blieb unbedeckt.
Eine Gruppe Kinder sah vom Weg aus zu.
Der Prediger sprach die Formel:
„Der Herr soll entscheiden.“
Ich stieß sie ins Wasser.
Sie sank.
Die Leine spannte sich.
Wir warteten.
Eine Minute.
Zwei.
Dann begann sie zu treiben.
Ihr Kopf schwamm wie eine blasse Frucht auf der Oberfläche. Ihre Augen geschlossen. Ihre Lippen bewegten sich.
Ich zog sie heraus.
Sie atmete schwer, hustend. Wasser lief aus Nase und Mund. Ihre Beine zitterten unter dem Kleid.
Der Prediger sagte: „Sie verwirft das Element.“
Wir brachten sie in die Kapelle.
Ich bot ihr einen Stuhl an.
„Wollt Ihr bekennen?“
Sie schwieg.
Ich ließ die Daumenschrauben anlegen. Eine Drehung.
Sie knirschte.
Zwei Drehungen.
Sie seufzte.
Dann sagte sie:
„Ich träumte von einem Feld. Ich lag im Gras. Es gab keine Stimmen. Nur Wind. Und ich war frei.“
Ich sah auf ihre Hände.
„Hier gibt es keine Freiheit.“
Sie schloss die Augen.
Ich drehte nicht weiter.
Der Theologe sprach:
„Kein volles Geständnis. Aber genug Vision für das Feuer.“
Ich schrieb:
Verdächtig. Nicht gebrochen. Verurteilt.
Notiz (Abends):
Ihre Träume gehören nicht zu uns.
Vielleicht kehrt sie ins Gras zurück.

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