Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter: Goslar, 24. Februar 1642 – Begegnung mit dem Stadtarzt
Die Luft war heute trocken, unnatürlich trocken für diese Jahreszeit. Kein Schnee, kein Regen. Nur ein dünner Wind, der wie Asche über das Straßenpflaster strich. Ich war gerade dabei, den Hof zu reinigen – ein Schweinekadaver war am frühen Morgen bei der Abdeckerei abgeladen worden – als ein Junge vom Rat herbeigelaufen kam, mit roten Wangen und einem Pergament in der Hand. Kein Siegel, nur der Name „Keller“ und ein Ort: Hinterzimmer des Gasthofs Zum Goldenen Adler . Ich wusch meine Hände, zog einen sauberen Mantel an – und ging. Dr. Keller erwartete mich dort, wie geschrieben. Nicht in seinem eigenen Haus, sondern in der Abgeschlossenheit eines Zimmers über einer Herberge. Es roch nach altem Wein und Honigtabak. Er stand am Fenster, im letzten Winterlicht, und blickte über die Breite Straße, als suche er nach etwas, das längst verschwunden war. Als ich eintrat, drehte er sich langsam um. Er trug keinen Hut – ungewöhnlich – und sein Haar lag vom Schweiß platt an. In seinen Aug...