Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter: Goslar, 12. Februar 1632 – Vorladung bei Oberst Bergström

 Heute wurde ich zum schwedischen Befehlshaber, Oberst Bergström, vorgeladen, der seit der Übergabe die Stadt mit harter Hand regiert. Ein Soldat holte mich von meinem Haus am Rosenberg ab. Ich folgte ihm durch die kalten Straßen, in denen die Präsenz der fremden Truppen überall spürbar war. Musketiere standen an den Toren, Reiter patrouillierten, und in den Herbergen ertönte das Stimmengewirr fremder Zungen.

Im Rathaus, das nun mehr einem Garnison gleicht, erwartete mich der Oberst. Er war ein Mann von kräftiger Gestalt, seine Augen scharf, seine Stimme barsch. Ohne Umschweife sagte er:
„Kruse, Ihr werdet Eure Arbeit wie bisher fortsetzen. Die Stadt mag besetzt sein, doch Ordnung und Rechtsprechung müssen bestehen bleiben. Nur: Ihr handelt nun im Auftrag der schwedischen Krone.“

Ich neigte das Haupt und erwiderte, dass ich mein Amt nicht ruhen lasse, solange Gott mir die Kraft verleiht. Er nickte zufrieden und erklärte, dass meine Belohnung fortan aus der Militärkasse gezahlt werde und dass ich mich für Aufträge direkt an ihn oder seine Adjutanten zu wenden habe.

Als ich nach Hause zurückkehrte, spürte ich eine schwere Zerrissenheit in meiner Brust. Einerseits bin ich erleichtert, dass meine Arbeit weitergeht und meine Familie nicht ohne Brot dasteht. In dieser Zeit, in der das Volk verarmt und viele ihr Hab und Gut an plündernde Soldaten verlieren, ist es ein Segen, dass mein Einkommen gesichert bleibt.

Andererseits schmerzt es, dass ich nun einer fremden Macht diene. Mein Amt war stets mit der Stadt Goslar verbunden, mit unserem eigenen Rat und unseren Gesetzen. Nun muss ich mich beugen unter die Befehle eines Obersten, der keine Bindung an unser Volk und unsere Traditionen hat.

Heute Abend betete ich mit Anna, dass der Herr uns durch diese finsteren Tage leite. Möge er uns bewahren und mir Weisheit schenken, dieses Amt zu tragen, ohne meine Seele zu verlieren. Denn wie auch immer es sei: das Schwert des Scharfrichters bleibt scharf, und die Menschen sterben weiter. Nur das Siegel, unter dem ich diene, hat sich verändert.




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter: Goslar, 10. Mai 1630 – Rückblick in der Abendstunde

Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter von Goslar - Einleitung

Das Tagebuch des Caspar Kruse III, Scharfrichter: Goslar, 9. Januar 1640 – Der Müller